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Archiv der Artikel die mit Prozesseigner getagged sind.

Studie zur Prozessorientierung von Industrieunternehmungen

Wie sehr prozessorientiert sind Industrieunternehmungen?

Dieser Artikel stellt eine grobe Zusammenfassung des Konferenzbeitrags „Kohlbacher, M.: Process Orientation of Manufacturing Companies“ an der GBDI International Conference im Oktober 2008 in Las Vegas, USA dar.

Anstatt die funktionale und hierarchische Organisationsstruktur zu betonen, fokussieren prozessorientierte Unternehmungen auf ihre Geschäftsprozesse. Im Zusammenhang mit Prozessorientierung kommt immer auch der Begriff „Geschäftsprozessmanagement“ vor. Geschäftsprozessmanagement bedeutet, die Organisation auf Basis ihrer Geschäftsprozesse zu managen, d.h. Geschäftprozesse zu gestalten (top-down), zu dokumentieren und (ständig) zu verbessern. Ein Geschäftsprozess soll hier als eine logische Abfolge von Aktivitäten verstanden werden, welche für den (internen/externen) Kunden Wert erzeugt. Ein Geschäftsprozess hat außerdem klar festgelegte Inputs/Outputs und ist einer durchgängigen Verantwortung unterstellt (Prozesseigner/Prozessverantwortlicher).

Forschungsfragen

Folgende Fragen werden in diesem Beitrag behandelt:

  1. Zu welchem Grad sind Industrieunternehmungen prozessorientiert?
  2. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Unternehmungsgröße und Prozessorientierung?
  3. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Produktionstyp (Einzelfertigung, Serienfertigung) und Prozessorientierung?
  4. Gibt es einen Zusammenhang zwischen Branchenzugehörigkeit und Prozessorientierung?
  5. Welche Prozessorientierungskonstrukte korrelieren miteinander wie stark?

Forschungsdesign

Basierend auf umfangreicher Literaturrecherche und Experteninterviews wurde ein Modell (Messinstrument) entwickelt, welches zur Messung des Grades der Prozessorientierung einer Unternehmung herangezogen wurde. Dieses Modell besteht aus zehn Konstrukten:

  • Prozessdesign und Prozessdokumentation
  • Unterstützung des Managements
  • Prozesseigner
  • Prozesskennzahlen
  • Unternehmenskultur
  • IT
  • Organisationsstruktur
  • Mitarbeiter und Expertise
  • HR Systeme
  • Koordination und Integration von Prozessprojekten

Ausgehend von diesem Modell wurde ein Fragebogen entworfen, mit dem über hundert österreichische Unternehmungen (GmbHs und AGs ab 50 Mitarbeiter in den Branchen „Maschinenbau“ und „Herstellung von Metallerzeugnissen“) persönlich befragt wurden (jeweils ein Interview pro Unternehmung, wobei die Zielpersonen hauptsächlich Qualitätsmanager, Prozessmanager, Organisationsentwickler, IT-Manager oder Mitglied der Geschäftsführung waren).

Zusammenfassung der Ergebnisse

Das Durchschnittsunternehmen dokumentiert zwar seine Prozesse zu einem gewissen Grad, jedoch ist die Implementierung von Prozesskennzahlen noch nicht weit fortgeschritten. Des weiteren erfährt das Durchschnittsunternehmen mittelstarke Unterstützung des Top-Managements, sich mit Prozessen auseinanderzusetzen. In den befragten Unternehmen schwankt die Etablierung der Prozesseigner-Rolle sehr stark, d.h. hinsichtlich dieses Kriteriums unterscheiden sich die Unternehmen sehr stark voneinander.

Es besteht kein Zusammenhang zwischen Unternehmungsgröße und Prozessorientierung, d.h. mittlere Unternehmungen (von 50 bis 250 Mitarbeiter) und große Unternehmungen (ab 250 Mitarbeiter) unterscheiden sich nicht signifikant bezüglich des Grades der Prozessorientierung. Des Weiteren gibt es keinen Unterschied hinsichtlich Prozessorientierung zwischen den Branchen „Maschinenbau“ und „Herstellung von Metallerzeugnissen“. Auch zwischen Produktionstyp und Prozessorientierung gibt es keinen signifikanten Zusammenhang, d.h. Serienfertiger sind nicht „mehr prozessorientiert“ als Einzelfertiger (detto vice versa). Interessant sind auch die Korrelationen zwischen den einzelnen Prozessorientierungs-Konstrukten: Demnach korrelieren alle Konstrukte stark miteinander. Eine sehr starke Korrelation besteht z.B. zwischen „Prozesseigner“ und „Prozesskennzahlen“, d.h. Unternehmungen, die die Prozesseigner-Rolle implementiert haben, arbeiten auch verstärkt mit Prozesskennzahlen.

Was ist ein Geschäftsprozess?

Der Begriff „Geschäftsprozess“ ist nicht neu; zum Beispiel wird der Begriff „Produktionsprozess“ schon lange in der Industrie verwendet. Zweifelsohne gibt es immer Prozesse in einem Unternehmen, die Frage ist nur, ob sie explizit bekannt und identifiziert sind (Karlöf and Lövingsson, 2005).

Ein Geschäftsprozess läßt sich wie folgt definieren:

  • Die wohl bekannteste Definition stammt von Hammer und Champy (1993). Sie bezeichnen einen Geschäftsprozess als eine Menge von Aktivitäten, die einen oder mehrere Inputs in einen Output umwandeln, der für den Kunden einen Wert darstellt.
  • Nach der Definition von Davenport und Short (1990) hat ein Geschäftsprozess zwei wichtige Charakteristika. Zum einen hat ein Geschäftsprozess immer Kunden, die den Output des Prozesses erhalten. Zum anderen läuft ein Geschäftsprozess nicht notwendigerweise innerhalb einer funktionalen Abteilung ab, sondern kann sich über mehrere funktionale Abteilungen einer Organisation erstrecken.
  • Schantin (2004) definiert einen Geschäftsprozess als eine sachlogische Abfolge von betrieblichen Tätigkeiten, welche Inputs in Outputs transformiert. Ein Geschäftsprozess ist kundenorientiert, d.h. er wird von Kunden- bzw. Marktbedürfnissen aktiviert, erzeugt für den Kunden Wert und untersteht einer durchgängigen Verantwortung (Prozesseigner bzw. Prozessverantwortlicher). Schließlich hat ein Geschäftsprozess Zugriff auf alle benötigten Ressourcen und Informationen.

In der Abbildung unten wird der Geschäftsprozess mit seinen wichtigsten Charakteristika dargestellt.

Geschäftsprozess

Wichtige Charakteristika eines Geschäftsprozesses: Kundenorientierung und durchgehende Verantwortung. Quelle: In Anlehnung an Schantin (2004)